Was bedeutet „Hochsensibilität“ bzw. „Hochsensitivität“?

Wichtig vorab: Die Hochsensibilität ist weder eine psychische Störung noch eine Krankheit.
In vielen Studien werden Zusammenhänge zwischen einer Hochbegabung und einer Hochsensibilität festgestellt.
Die Forschung dieses Phänomens ist sehr jung, erst seit 1997 werden wissenschaftliche Aufarbeitungen durch die US-amerikanische Psychologin Elaine N. Aron eingeleitet.
Sie definiert die Hochsensitivität / Hochsensibilität / Hypersensibilität / Überempflichkeit als ein Phänomen, bei dem Betroffene stärker als der Populationsdurchschnitt auf Reize reagieren und diese viel eingehender Wahrnehmen und verarbeiten.

Eine eindeutige Ursache ist nicht gegeben, eine erblich bedingte spezielle neuronale Konstitution wird als wahrscheinlich angenommen. Gestützt wird die Hypothese durch die Zwillingsforschung, welche eine signifikante familiäre Häufung erkennen läßt.
Ihren Ursprung findet die Hochsensibilität/Hochsensitivität im Thalamus, wo (zu) viele Reize als wichtig eingestuft werden: die Sinnesorgane nehmen zwar nicht mehr Informationen auf als durchschnittlich, es werden jedoch zu wenige Sinneseindrücke aus der Wahrnehmung herausgefiltert.
Die Hochsensibilität ist nicht mit einer bloßen Nervosität bzw. Empfindlichkeit und / oder Reizbarkeit zu verwechseln denn dabei ist die Bandbreite der Wahrnehmung nicht erhöht, was bei Hochsensiblen hingegen fast immer der Fall ist.

Mögliche Merkmale einer Hochsensibilität*

Anmerkung: viele Merkmale sind identisch/ähnlich mit den Merkmalen einer Hochbegabung da beide Phänomene oft simultan vorhanden sind.

  • ausgeprägte subtile Wahrnehmung (Fantasie / Querdenken)
  • Überforderung bei Leistungsdruck
  • erhöhte Schmerzempfindlichkeit
  • detailreiche Wahrnehmung
  • hohe Begeisterungsfähigkeit, sehr vielseitige Interessen
  • sehr ausgeprägtes Langzeitgedächtnis
  • psychosoziale Feinwahrnehmung (Befindlichkeiten, Stimmungen und Emotionen
  • anderer Menschen werden leichter und detaillierter erkannt)
  • stärker beeinflussbar durch Stimmungen anderer Menschen (nimmt vieles „persönlich“)
  • ausgeprägtes intuitives Denken
  • langer emotionaler „Nachklang“ des Erlebten
  • Denken in größeren Zusammenhängen
  • ausgeprägter Altruismus, Gerechtigkeitssinn
  • Harmoniebedürfnis, Gewissenhaftigkeit
  • Intensives Erleben von Kunst und Musik
  • Perfektionismus

Diese Auflistung ist natürlich nur ein Auszug möglicher Merkmale, die von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können.
Entgegen dem Volksmund läßt sich ein hochsensitives bzw. hochsensibles Kind nicht „abhärten“. Für eine optimale Entwicklung und ein ausgeglichenes Verhalten sollten Kinder bereits sehr früh lernen können, mit ihrer Hochsensibilität und der damit verbundenen Reizüberflutung umzugehen.
Spätestens mit dem Eintritt in den Kindergarten fallen hochsensible Kinder auf, da sie meistens eine sehr ausgeprägte Fantasie haben und komplexe Gedankengänge aus ihrer eigenen Welt freudig mitteilen. Dabei „fühlen“ sie die Reaktionen ihrer Mitmenschen.
Zögern Sie nicht mich anzusprechen, wenn Sie eine Hochsensitivität bzw. Hochsensibilität bei Ihrem Kind vermuten.

* Quelle: Elaine Aron / 01.10.2016